Vom Kloster hinauf auf den Friedhof der Geisterstadt

Ganz nah beim Kloster Speinshart erhebt sich der Barbaraberg über dem, was vor Jahrhunderten mal ein Sumpfgebiet war. Und ganz oben auf dem Hügel stand bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein eine Wallfahrtskirche: Die Barbarakirche. Und irgendwie steht sie da immernoch. Also zumindest sieht es so aus, als würde sie da stehen. Aber eigentlich steht nur noch die Kirchenfront. Dahinter versteckt sich aber nur noch eine kleine Kapelle – man könnte fast behaupten, auf dem Barbaraberg steht die Kapelle mit der imposantesten Fassade der Oberpfalz. Viel Äußerlichkeit, aber kein Inhalt – ok, jetzt wird’s (kirchen-)politisch.

Natürlich wurde das nicht so gebaut. Die erste Kirche hier oben dürfte um das Jahr 1000 entstanden sein. Zumindest legen Ausgrabungen das nahe. Und schon im 13. oder 14. Jahrhundert gab es wohl eine Wallfahrt hier herauf. Durch die Sekularisierung im 16. Jahrhundert und den Dreißigjährigen Krieg endete die Wallfahrt und die Kirche verfiel. Ab 1661 wurde die alte Kirche wohl wiederaufgebaut. Allerdings war das wohl nicht repräsentativ genug, für die Chorherren und Baumeister in Speinshart, zu denen der Barbaraberg damals schon gehörte. Daher errichteten sie ab 1741 einen prunkvollen Rokokobau, dessen Fassade hier noch heute steht. Der Rest, die eigentliche Kirche, ist verschwunden, verfallen, aus- und abgeräumt, abgebrannt.

Warum hat man die Kirche auf dem Barbaraberg nicht erhalten?

Ganz einfach, etwa 50 Jahre nachdem der Prunkbau fertig war, 1803, wurde die Wallfahrtskirche im Rahmen der Sekularisation aufgelöst und verkauft. Eine zeitlang wurde sie noch als Scheune genutzt. 1888 wurde der sehr baufällige Innenbereich dann abgerissen und 1914 schlug der Blitz in die Reste ein, die dadurch abbrannten. Ab 1919 entstand dann der „Fake“, der heute noch steht: eine Privatkapelle in kirchlichem Besitz. Ein Münchener Domkapitular kaufte damals das, was noch übrig war und baute die Kapelle hinter die Fassade. Dieser hat’s dann irgendwann wieder dem Kloster Speinshart geschenkt. Jetzt gibt’s also hier oben die Scheinkirche, einen Kreuzweg und eine Wallfahrt.

So, und was ist jetzt mit dem Friedhof und der Geisterstadt? Naja, bei den Ausgrabungen in den 1990ern entdeckte man im Bereich der jetzigen Kirche einen Friedhof, dessen Bewohner wohl aus der Zeit vor und um das Jahr 1000 stammten. Hier oben auf dem Berg, der direkt südlich des Rauhen Kulms liegt, wurden also in fast noch vorchristlicher Zeit Slawen, Wenden, beerdigt. Über 160 Gräber mit fast 300 Skeletten wurden in den 90er Jahren hier gefunden. Aufgrund der entdeckten Grabbeigaben gehen die Archäologen davon aus, dass die Bestatteten der Oberschicht angehörten. Zumindest als sie noch lebten.

Wo Gräber sind, lebten auch Menschen

„Die Geschichte weiß nichts von Mirga zu berichten, nur eine halbvergessene Sage erzählt, dass durch Mirga der Handelsweg aus dem sonnigen Süden nach dem rauhen Norden führte, auf welchem die Schätze des Baltischen Meeres, Bernstein und Zinn, gegen blinkende Waffen und Goldschmuck im regen Verkehr ausgetauscht wurden.“

Stefan Helml – Oberpfälzer Geschichten und Schmankerln (Band 2) S. 12

Aber warum gibt’s hier oben einen Friedhof für adelige Slawen? Da kommt die Geisterstadt ins Spiel: Mirga, Miega. Miga, Mokka ist die slawische Stadt, die wohl zu diesem Friedhof gehört haben könnte – möglicherweise. Miega ist eine Siedlung, die wohl in manchen Quellen auftaucht, aber über die man nichts weiter weiß – über die es aber einige Legenden gibt. Mirga soll hier beim Barbaraberg gewesen sein, oder besser umgekehrt: Der Barbaraberg soll noch in Mirga gelegen haben, denn die Stadt soll riesig gewesen sein. Ausgelöscht wurde sie der Legende nach von einem Vulkanausbruch, der die Stadt mit Mann und Maus unter Asche und Lava begraben haben soll. Und auch heute noch soll irgendwo in den Wäldern um den Barbaraberg die Spitze des Kirchturms von Mirga vergraben liegen – oder ein goldenes Kreuz, wie Franz Xaver Schönwerth aufgeschrieben hat.

„Asche und Lava haben dieses weite Trümmer- und Leichenfeld berghoch überschüttet, die Jahrtausende haben es in endlosem Wechsel mit dichten Wäldern übersponnen und auch diese vergruben unter ihren vermodernden Baumleichen immer tiefer und tiefer jegliche Spur einstigen, blühenden Volkslebens.“

Stefan Helml – Oberpfälzer Geschichten und Schmankerln (Band 2) S. 13

Eine andere Sage berichtet von einer Geisterglocke, die man aus dem Inneren des Berges hören soll. Wenn man nachts den Ort betritt, wo diese zu hören ist, verirrt man sich in die Gespensterwelt und kann dieser bis zum Morgengrauen auch nicht mehr entkommen. Irgendwo bei einem Dornenbusch soll diese Stelle sein – also: bleibt nachts besser von Dornenbüschen fern, auch wenn schon reife Beeren daran hängen sollten.

Und was ist dran?

Was an den Sagen wirklich dran ist, weiß bislang wohl keiner. Der Friedhof ist Realität. Eine Siedlung dazu wird es auch gegeben haben – angeblich könne man immernoch auf den Feldern Hufeisen und Münzen aus Mirga finden. Und im bayerischen Saalbuch von 1280 ist eine „Villa Mirga“ im „Ampte Eschenbach“ verzeichnet. Ob es vielleicht sogar wirklich die Residenz des Noricus, des ersten Noriskerfürsten, war, wie es bei Schönwerth heißt? Wer weiß. Keltisch-germanische Spuren gibt es genug in unserer Region – auch am Rauhen Kulm und so weit ist es nicht bis nach Österreich, wo ein Noriskerreich zumindest als gesichert gilt. Und die Region um Amberg wird ja auch als mögliche Hauptstadt des Markomannenreichs vermutet. Vielleicht waren Noricus und Marobod ja Nachbarn.

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